Am Donnerstag war Medientag im deutschen Quartier, und das bedeutet, daß viele kleine Tischchen aufgestellt werden, an denen sich die Spieler und die Trainer zu Gesprächen mit Journalisten treffen. In Hotel Forte Village, einer ersten Adresse auf Sardinien, kamen zur Mittagszeit noch ein paar Sonnenschirme hinzu, denn Jürgen Klinsmanns Team bat unter freiem Himmel zum Gespräch, und das Wetter meint es derzeit gut mit der deutschen Mannschaft.
Die Bedeutung der einzelnen Spieler läßt sich an solchen Tagen an der Zahl der Tischchen erkennen und an der Traube von Medienleuten, die sich darum scharen. Oliver Kahn kam auf drei Tischchen und zwei Schirme, das bedeutete Aufmerksamkeitsrekord an diesem Tag. Das lag natürlich auch daran, daß Jens Lehmann am Abend zuvor in der Champions League einen unglücklichen Auftritt hatte und sich Kahn nun erstmals in der Rolle des Herausforderers befindet.
"Solche Situationen kommen im Fußball vor", sagt Kahn über Lehmanns Foul
"Solche Situationen kommen im Fußball vor", sagte er nun zum Platzverweis seines im Nationalmannschaftsduell siegreichen Konkurrenten, "ich möchte das gar nicht bewerten." Aber Kahn, umringt von Journalisten und auch auf seinem Schattenplatz hinter einer riesigen Sonnenbrille verborgen, machte auch gleich deutlich, daß er sich genau aus diesem Grund nicht nur als WM-Ansprechpartner mit reichem Erfahrungsschatz für die jungen Kollegen fühlt. "Das Spiel hat gezeigt, wie schnell es im Fußball gehen kann. Ob das eine Rote Karte oder eine Verletzung ist, das wünscht man zwar keinem Sportler - aber deswegen bin ich hier. Meine vordringlichste Aufgabe ist es, mich topfit zu machen."
Kahn war also gut gelaunt, und das lag natürlich nicht nur an der Aussicht, bei einem Mißgriff von Lehmann vielleicht doch noch die deutsche Nummer eins bei der Weltmeisterschaft werden zu können. Der 36 Jahre alte Fußballer fühlt sich auch aus anderen Gründen auf Sardinien wohl. Er kommt ein bißchen zum Golfspielen, und das entspanne ihn kolossal, außerdem werde in diesem Trainingslager einiges so gemacht, wie er sich das schon früher gewünscht habe - zum Beispiel die Begleitung durch Frauen und Freundinnen. Trotz der entspannten Stimmung am Mittelmeer hat es für den Golfer Kahn bisher nur zu ein paar Löchern gereicht, denn das sogenannte Regenerationstrainingslager entpuppt sich als schweißtreibende Angelegenheit. Aber so soll es sein, findet der erfahrenste deutsche Nationalspieler.
Über einen möglichen Einsatz mag Odonkor nicht reden
"Meine vordringlichste Aufgabe ist es, mich topfit zu machen"
Auch Neuling David Odonkor hat daran seine reine Freude, auch an der "Kraftarbeit für den ganzen Körper", wie er zu dem Fitnessprogramm mit den amerikanischen Trainern sagt. Er kennt das bisher noch nicht, und bei den Stabilitätsübungen ist der Unterschied zu den geübten Kollegen auch gut zu erkennen. Aber Odonkor, dem WM-Überraschungsteilnehmer, gefällt natürlich alles in St. Margherita di Pula, jeder Tag und jede Übung. Zu den für viele Spieler überraschend intensiven Einheiten sagt er einen hübschen Satz: "Man muß auch an seine Grenzen gehen, auch wenn hier ein bißchen Urlaub ist."
Drei Tage ist der 22 Jahre alte Angreifer, der offiziell als Mittelfeldspieler im Nationalteam geführt wird, nun dabei. Er versucht noch, die richtige Mischung aus Bescheidenheit und Selbstbewußtsein zu finden. Odonkor weiß, daß ihn vor allem seine Schnelligkeit zur WM gebracht hat. Es gibt ihm ein gutes Gefühl, "daß in der Bundesliga noch niemand schneller war als ich". Er würde natürlich auch gerne einmal testen, wie das auf Weltniveau ist. "Thierry Henry, Roberto Carlos und Ronaldo, die können auch sehr schnell sein", sagt Odonkor. Ob sie schneller sind als er, weiß er nicht. "Aber das sind Topspieler", sagt er. Nicht seine Kategorie. Er wolle bei der WM vor allem gut trainieren. Über einen möglichen Einsatz mag Odonkor gar nicht reden, auch nicht darüber, daß ihm der Bundestrainer und auch Kapitän Michael Ballack die Rolle als "Geheimwaffe" zutrauen.
Auf dem Sprung
Auch wenn er seine Hoffnungen, die sich nun mit der Nominierung verbinden, für sich behält - auf seinem Unterarm hat er sich sein Bekenntnis in Schnörkelschrift eingravieren lassen. Ich glaube an Gott und die Familie, steht dort, auf lateinisch. Das sei sein Lebensmotto, sagt Odonkor. Vor einem Jahr hat er es sich verewigen lassen. Damals dachte er natürlich noch nicht an die Weltmeisterschaft, er dachte daran eigentlich nie. Die Nationalmannschaft, das war nicht seine Welt. Selbst als am Montag sein Telefon klingelte und U-21-Trainer Dieter Eilts dran war, dämmerte es ihm nicht. Er
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