Blauer Schmetterling
Flügelt ein kleiner blauer
Falter vom Wind geweht,
ein perlmutterner Schauer,
glitzert, flimmert, vergeht.
So mit Augenblicksblinken,
so im Vorüberwehn
sah ich das Glück mir winken,
glitzern, flimmern, vergehn.
Hermann Hesse (1877-1962)
Das Glück
Das Glück ist eine leichte Dirne
und weilt nicht gern am selben Ort;
sie streicht das Haar dir von der Stirne
und küßt dich rasch und flattert fort.
Frau Unglück hat im Gegenteile
dich liebefest ans Herz gedrückt;
sie sagt, sie habe keine Eile,
setzt sich zu dir ans Bett und strickt.
Heinrich Heine (1797-1856)
Die Gebrechen des Glücks
Das Glück ist stumm. Es wirkt stets drum
ganz unbemerkt. in stiller Weise,
oft spät erkannt erst, wenn es längst
entflohn dem undankbaren Kreise.
Das Glück ist blind. Am falschen Ort
verteilt zumeist es seine Spenden;
dem einen viel, dem andern nichts
reicht's dar mit ungerechten Händen.
Das Glück ist taub. Es hört dich nicht,
magst noch so laut du nach ihm rufen,
wenn grausam es an dir vorbei
emporsteigt der Paläste Stufen.
Das Glück ist lahm. Wie manche Mensch,
zu dem den Weg es angetreten,
ward alterskrank und harrensmüd,
eh seine Augen es erspähten.
Ein krankes Unding ist das Glück!
Und dennoch breit’ ich meine Arme
So oft verlangend nach ihm aus
In meinem sorgenvollen Harme.
Maximilian Bern (1854 – 1925)